Wäre er stolz auf «seine» Penan?

Wer Long ­Lamai ­erreichen will, muss die ­letzten Regen­wälder ­Borneos durchqueren. Mit dem Boot auf dem Fluss Balong, der mit seinen Stromschnellen und ­Untiefen höchste Navigationskunst verlangt. Den Steuermann, einen jungen Penan namens Oteng Zuel, beeindruckt das nicht. Er manövriert den motorisierten Einbaum lässig durch das dichte Dschungel­spalier bis ans Ziel der Reise: Long Lamai. Hier liessen sich vor 50 Jahren die ersten Penan nieder, und hier machte der Schweizer Umweltaktivist Bruno Manser wiederholt bis zu drei Wochen lang Station, wenn er auf Borneo unterwegs war. Und womöglich entscheidet sich hier die ­Zukunft der Penan.

Es war Bruno Manser, der das Schicksal des Urwaldvolks bekannt machte. Vor 30 Jahren war der Basler zum ersten Mal nach Borneo gekommen, auf der Suche nach einem alternativen Leben im Einklang mit der ­Natur. Kurz nach seiner Ankunft traf er im Regenwald auf eine Gruppe von nomadisch lebenden Penan. Manser gewann ihr Vertrauen und verbrachte anschliessend sechs Jahre im Kreis der Waldnomaden, die ihn schon bald «Laki Penan» nannten – einen von ihnen.

In jenen Jahren erreichte die Abholzung auf Borneo ihren ­ersten Höhepunkt. Manser ­wurde Zeuge, wie mit Bulldozern und Baggern ganze Regionen grossflächig gerodet wurden. Zusammen mit den Ureinwohnern ­organisierte er Blockaden und Versammlungen. Daheim in der Schweiz avancierte er zu einem ­bekannten Umweltaktivisten, in Malaysia zum gesuchten Staatsfeind. Zeit seines Lebens ­kämpfte Manser mit den Penan gegen die ­Abholzung und für die Kultur der Einheimischen auf Borneo. Bis er im Jahr 2000 unter bis heute ungeklärten Umständen im Dschungel verschwand und fünf Jahre später amtlich für verschollen erklärt wurde.

«Wir sind jetzt moderne Penan»

Den Wandel, in dem sich die Penan bereits damals befanden, konnte Manser nicht aufhalten. Zogen in den 90er-Jahren noch viele ­Gruppen als Nomaden durch die ­Wälder, sind bis heute alle rund 12 000 Penan sesshaft geworden. Der markanteste ­Umbruch vollzog sich in Long ­Lamai, mit 600 Einwohnern das grösste Dorf der Penan. Noch vor wenigen ­Jahren hatten sie ein Leben in Abgeschiedenheit geführt – ohne Strom, TV und Telefon. Bis eines Tages die ­Moderne Einzug hielt und das Tor zur digitalen Welt öffnete.

Heute sorgen ein Sendemast und eine Satellitenschüssel in der Dorfmitte für die ­Verbindung zur Aussenwelt. «Wir sind jetzt moderne Penan», erklärt der junge Oteng. Wie viele ­seiner Kollegen ist er ins Dorf zurückgekehrt, auch weil das Internet eine neue Einkommensquelle beschert. Denn seit Long Lamai mit dem Rest der Welt vernetzt ist, finden immer mehr Fremde den Weg in den Dschungel: ­Wissenschaftler, Studenten, Touristen. Von dem Geld, das sie als Gastgeber verdienen, ­kaufen die Einwohner Fern­seher, Kühlschränke, Laptops, Mobiltelefone. Dschungel und Internet, Pfeiljagd und ­Selfies – für die meisten in Long ­Lamai sind das keine Gegen­sätze mehr. «Die Penan von ­heute brauchen beides», sagt Oteng, «Tradition und Moderne».

Bruno Manser, der «Laki Tawan»

Am Ufer des Balong ist ein fra­giles Gleichgewicht ent­standen. Hier das ursprüngliche ­Leben der Selbst­versorger, dort die ­digitale Welt. Doch die Penan sind fest entschlossen, an ihren Tradi­tionen und ihrer Kultur ­fest­zuhalten, und sorgfältig ­abzuwägen, welche Veränderungen sie noch zulassen wollen. Gemeinsam mit dem Bruno-­Manser-Fonds kämpfen sie ­immer noch für den Schutz der ­Urwälder. Ihren ehema­ligen Mitstreiter aus der Schweiz haben sie nicht vergessen, die Älteren kennen ihn fast alle. Nur nennen sie ihn jetzt «Laki ­Tawan», den Verschollenen.